Segelyacht vor Marokko gesunken

Die „Taube“ in Afrika

Vorgestern war ich gerade auf dem Weg von meinem Elternhaus in Wolfsburg zurück nach Kiel, als ich im Radio von dem Untergang der Segelyacht „Taube“ vor dem Marokkanischen Hafen Mehdya erfuhr.

Kaum zuhause angekommen, klemmte ich mich ins Internet und war ganz erschrocken, als ich las, dass es sich dabei um einen nur 8,25 m langen Kielschwerter aus Stahl handelte, gebaut 1968 und mit einem Tiefgang von nur etwa einem Meter. Genau dieselben Maße und nur zwei Jahre älter, als meine Maverick damals. Erschreckend.

Die Crew der Taube in Afrika

Das Boot gehörte dem Tübinger Verein „Migrobirdo“ („Wandervogel“ auf Esperanto), die mit zwei ähnlich großen Booten und dem Motto „Segeln für/in eine andere Welt“ von Deutschland nach Südamerika segeln wollten. Die Mitglieder des Vereins, die sich selbst als „Neuzeit-Hippies“ bezeichneten, schrieben auf ihrer Website über ihre Intentionen: „…indem wir die Entfernung unter Segeln bewältigen, zeigen wir ökologische Alternativen auf: Mobilität und Umweltschutz sind vereinbar.“

Sie hatten die Schiffe im Sommer grob überholt und waren ohne viel Vorerfahrung von Travemünde aus Richtung Afrika gestartet, hatten den Ärmelkanal und die Biskaya gut überstanden und schließlich Marokko erreicht. Auf der Weiterfahrt nach Rabat gerieten sie in einen Sturm mit etwa 5 Meter hohen Wellen. Da sich an Bord zu diesem Zeitpunkt sieben (!) Menschen befanden, kann ich mir denken, was für eine Panik an Bord ausgebrochen sein muss, dass die Segler versuchten, den nahegelegenen Hafen von Mehdya zu erreichen. Dabei geriet das Boot in der flachen Einfahrt des Flusses, der zu der Hafenstadt führt, offenbar in Brandungswellen und kenterte. Ein neunzehnjähriges Mädchen konnte sich an eine Matratze klammern und so das Ufer schwimmend erreichen. Von den anderen sechs Seglern, darunter zwei 17 und 24-jährige junge Männer aus Baden-Württemberg , ein 28-jähriger Hamburger, eine Österreicherin und zwei weitere Mitsegler aus Dänemark und Slovenien fehlt bisher jede Spur. Der Sturm tobt dort unten noch immer, was die Sucharbeiten erschwert. Aber es ist davon auszugehen, dass die anderen Crewmitglieder ertrunken sind.

Die „Taube“ in Kappeln

Sie können sich vorstellen, wie sehr mich die Nachricht von dieser Tragödie mitgenommen hat. Fast stündlich habe ich im Internet nach neuen Meldungen gesucht, da ich sehr mit den Seglern und vor allem auch deren Familien mitfühlen kann. Meine Maverick war keinen Zentimeter größer als die „Taube“. Das zeigt doch wieder, wie gefährlich es sein kann, zu blauäugig, so wie auch ich es damals getan habe, an solch ein Abenteuer heran zu gehen und wie dankbar ich sein kann, dass ich das Ganze so gut überlebt habe.

Also an dieser Stelle an all die Jugendlichen, die mir jede Woche Mails schreiben, dass mein Buch sie motiviert hat, auch einmal solch ein Reise zu unternehmen: Es ist ein wertvolles Erlebnis. Aber zugleich ist es ungeheuer wichtig, dabei nicht den Respekt vor der See zu verlieren.

Burkhard Pieske sagte einmal „Die See ist eine unabhängige Jury, vor die wir alle zitiert werden. Und dann zeigt sich, ob wir unsere Hausaufgaben gemacht haben oder nicht.“
Ich habe zwar nie mehr als 8 oder 9 Windstärken gehabt, aber auch das kann in einem 8 Meter Boot schon eine ganze Menge sein. Vor allem, wenn die Brandungswellen dazu kommen…

Mein tiefstes Beileid allen Angehörigen und Freunden der Segler. Vor allem meine Eltern sind auch sehr betroffen. Während ich auf den Meeren unterwegs war, waren sie es, die die Ungewissheit zuhause ertragen musste. Zu gehen ist immer einfacher, aber zuhause zu bleiben und zu warten, das ist es, was schwer ist. Daher an dieser Stelle auch meine größte Hochachtung all denen Eltern, die ihre Kinder in die Welt ziehen lassen. Sei es zum Backpacking in Australien oder eben zum Segeln auf den Ozeanen.

– Video über das Segelprojekt „Migrobirdo“

Beitrag auf SWR 3 (erster Beitrag)
(Fotoquellen: alle verwendeten Fotos von www.migrobirdo.org)

Zugleich aber auch eine erfreuliche Meldung: Vor einigen Tagen wurden zwei thailändische Fischer, deren 10 Meter langes Fischerboot einen Tag vor Weihnachten gekentert war, lebend gerettet werden. Die beiden 22 und 24 Jahre alten Männer konnten sich in eine Kühlbox retten, die für gewöhnlich zum Kühlen von Fischen genutzt wird, und wurden nach 25 Tagen auf See zufällig von einem australischen Suchflugzeug bei einem Routineflug gesichtet. In den Wochen zuvor war die nordaustralische Nordküste von heftigen Stürmen und Regenfällen heimgesucht worden. Für die beiden Glück im Unglück: So konnten sie Trinkwasser auffangen.

Artikel aus der WAZ

Johannes

1 comments