19. Tag auf See – Noch zwei Tage bis Horta

Liebe Leser,

wir nähern uns dem Ziel. Heute Vormittag war das Wetter zum ersten Mal
ein wenig diesig. Das erste Tageslicht begrüßte und mit tiefhängenden
Wolken und Nieselregen. Echtes Ölzeugwetter.

Seit New York haben wir das neue Stretch-Ölzeug, das uns Marinepool mit
auf den Weg gegeben hat, fast täglich an. Zumindest während der
Nachtwachen, in denen es doch oft relativ kühl wird. Unter Deck tragen
wir nachts meist die Thermounterwäsche, beide im Einheitslook. Ich
glaube, ich kann mit Sicherheit sagen, dass ich beim Segeln noch nie so
perfekt gekleidet war: In der Koje ist es in der Thermowäsche sehr
flauschig und warm, bei der Nachtwache unter Deck wird das Ganze um
Fleece und Stretch-Funktionshose ergänzt und beim Außeneinsatz um das
komplette Ölzeug. Wenn dann morgens die Sonne herauskommt, wird es
allerdings innerhalb von Stunden wieder schlagartig so warm, dass wir
unsere Bekleidung schnell wieder bis auf Badeshorts reffen müssen – wir
segeln ja schließlich südlich des 40igsten Breitengrades, südlich von
Rom! Bisher hatten wir für jedes Wetter die richtige Bekleidung an Bord.
Was das Stretch-Material des Ölzeugs angeht, war ich anfangs etwas
skeptisch, weil es sehr dünn wirkte. Aber es hat sich toll bewährt,
lässt sich auch über mehrere Wochen hinweg sehr angenehm tragen, ist
tatsächlich wasserdicht und zugleich atmungsaktiv. Was will man mehr?
Vor allem finde ich den hohen Kragen toll, in den man sich bei einem
kurzen Nickerchen im Cockpit sehr bequem „verstecken“ kann. An dieser
Stelle also ein herzliches: „DANKESCHÖN, MARINEPOOL!“ 🙂 Schon für das
Ölzeug damals auf der Reise mit Maverick war ich sehr dankbar – und
jetzt für diese Vollausstattung natürlich umso mehr! Ich find eure
Sachen und überhaupt euern „Spirit of the Ocean“ toll!

Zurück zu uns auf den Atlantik: Schon die ganze Nacht über trieb uns ein
nur sehr schwacher Westwind voran. Jetzt haben wir wieder etwa 3
Windstärken, segeln mit 5 Knoten vor dem Wind und sogar die Sonne kommt
langsam wieder raus. Derzeit sind es noch 218 Meilen bis Horta. Das GPS
zeigt immer wieder „nur noch 44 Stunden bis zum Ziel an“ und wenn sich
das Wetter hält, dann sollte das hinhauen. Ich werde gleich zum letzten
Mal die Wetterkarte abrufen. Derzeit bekommen wir nur noch die
48-Stunden-Vorhersagen aus Boston per Kurzwelle an Bord, weil wir aus
dem Seegebiet der 24-Stunden-Vorhersagen vor drei Tagen herausgesegelt
sind. Das Boot war bereits mit einem sehr, sehr teuren und toll
installierten Kurzwellenempfänger von Icom ausgestattet (Typ: IC-M802).
Der Empfang ist wirklich hervorragend, selbst 2.000 Meilen von Boston
entfernt bekommen wir noch Wetterkarten per Fax, die aussehen, als hätte
ich sie aus dem Internet heruntergeladen. Jetzt wäre es allerdings sehr
praktisch, langsam auf den Fax-Service in England umzusteigen, aber ich
habe es immer noch nicht hinbekommen, die passende Frequenz in das Gerät
zu programmieren. Wir haben hier eine ellenlange Liste mit
voreingestellten Frequenzen, die auf ein paarhundert Kanälen gespeichert
sind. Aber offenbar lässt sich keine Frequenz von Hand eintippen. Oder
vielleicht bin ich auch einfach noch nicht versiert genug. Egal. Für
heute sollte es die 48-Stunden-Vorhersage noch tun.

An Bord leeren sich langsam die Schapps. Man merkt, dass wir schon fast
3 Wochen auf See sind. Wasser haben wir noch genug, Pasta, Tomatensauce
und Süßkram auch, aber sonst wird der Speiseplan langsam sehr eintönig.
Gestern und vorgestern Mittag gab es jeweils eine Dose Mais und eine
Dose Thunfisch mit Zwiebeln. Lecker! Das könnt ich heute wieder haben,
aber ich glaube, der Mais ist alle. Thunfisch haben wir noch in rauen
Mengen. Seit gut 1.500 Meilen schleifen wir außerdem eine Angelleine
hinterher, aber bisher hat nichts gebissen. Schade.

So wie es aussieht, werden wir doch nicht allzu nah an Flores heran
kommen. Der Wind stand die letzten Tage gut, um einen direkten Kurs auf
Horta anzulegen. Das Etmal der letzten 24 Stunden war 110 Seemeilen, die
Position 38 Grad 55.5′ N, 033 Grad 14.5′ W. Heute Abend können wir vom
großen Übersegler (Einer Seekarte, auf der der gesamte Nordatlantik zu
sehen ist) auf die Detailkarte der Azoren über gehen.

Viele Grüße von hier draußen!

Johannes

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