Der Sonne entgegen.

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Es sind nur noch zwölf Tage bis Heiligabend. Dann wollen wir zurück in North Palm Beach in Florida sein. Nur drei Tage später landet Johannes’ Schwester Susi nämlich in Miami. Gemeinsam wollen wir dann auf die Bahamas segeln und dort Silvester verbringen. Die Feiertage unter Palmen, in Bikini und Shorts. Passend dazu ist heute ein wunderschönes Segelfoto von uns aus den Bahamas auf dem Titel der YACHT erschienen. Eine wahnsinnige Ehre und Ansporn zugleich. In dem Heft ist außerdem eine neunseitige Bilanz zu unserem ersten Jahr als Langfahrtsegler zu lesen.

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Der schöne Sommersegeltag, an dem das Foto vor Lee Stocking Island in den Exuma-Cays geschossen worden ist, liegt mittlerweile ein halbes Jahr zurück. Als richtige Langfahrtsegler haben wir uns in den letzten Wochen auch nicht wirklich gefühlt. Wir haben eine lange Zeit in Lamb’s Marina in North Carolina verbracht, Landbeziehungen aufgebaut, Freunde gefunden und Stück Zuhause geschaffen. Den Anker ausgeworfen, ein altes Auto gekauft, um das Land zu erkunden. Schöne Erlebnisse, die nur leider nicht so ganz förderlich sind, wenn man um die Welt segeln möchte. Das Abschiednehmen von all unseren Freunden fiel nicht leicht. Aber nun haben wir unser „neues Stück Heimat“, wie es jemand ausdrückte, im Kielwasser gelassen und sind bereits 400 Meilen nach Süden getuckert.

„Maverick“ ist nach der langen Liegezeit und mit dem neuen Motor in besserem Zustand denn je und unsere Gedanken sind in den letzten Wochen bereits immer sehnsuchtsvoller zu Sandstränden und Sundownern gewandert. Wir haben am Computer verfolgt, wie  „Maya“ durch den Panamakanal gefahren ist und unsere Freunde von der „ZigZag“ zu den Kapverden aufgebrochen sind. Wir wurden mehr und mehr zu bloßen Bloglesern, die sich schwärmerisch Bilder von türkisem Wasser und weißen Segeln angucken. Dabei könnten wir doch … wir sollten doch … Wir waren wirklich bereit weiterzuziehen.

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Das Auto, unser Anker, war es, der uns länger als geplant in Camden gehalten hat. Unser toller Stegnachbar Jim hat uns den Wagen als Weihnachtsgeschenk für seinen Sohn und seine Enkelin abgekauft. Da Johannes bei unsere Ankunft in North Carolina keinen amerikanischen Führerschein machen wollte (der in diesem Bundesstaat unbedingt nötig ist, um ein Auto umzumelden), haben wir das Auto einfach auf einen guten Freund in Georgia zugelassen. Als Johannes und Jim nun aber zur Ummeldestelle gegangen sind um das Auto umzumelden, stellte sich heraus, dass der offizielle Halter des Autos einen Formfehler beim Ausfüllen des Fahrzeugbriefes gemacht hat. Das musste berichtigt werden und notariell beglaubigt noch obendrein. Die amerikanische Bürokratie steht der deutschen in vielen Dingen in nichts nach. Wir mussten den Fahrzeugbrief also zurück nach Georgia schicken und den Antwortbrief abwarten. Dazwischen lag Thanksgiving und ein Wochenende. Eine ganze Woche dauerte der Postverkehr trotz Express-Versand und in der Marina begann man bereits Scherze zu machen, uns Einladungen zum Weihnachtsessen – und sogar zu einer Ruhestandsfeier im April auszusprechen. Doch dann kam der Brief endlich. Das Auto konnte umgemeldet, hektische letzte Besorgungen gemacht werden – und „Tschüssikowski“! Am Samstag vor dem zweiten Advent.

An dem Morgen, an dem wir unsere Leinen in Lamb’s Marina losgeschmissen haben, waren es vier Grad Celsius. Weiter von Weihnachten unter Palmen kann man wohl nicht entfernt sein. Die Stege waren rutschig vom Frost und auf unserem neuen Bimini hatte sich eine zarte Eisschicht gebildet. Weil unsere Abfahrt so spontan von einem Abend auf den nächsten Morgen entschieden wurde, konnten wir uns von einigen Freunden nicht mal verabschieden. Sie lagen noch in der Koje als wir mit dem ersten Tageslicht auf den Intracoastal abgebogen sind. Ein paar Frühaufsteher standen trotzdem auf den Stegen, winkten und riefen uns die besten Wünsche hinterher. Unser Stegnachbar Jim ist noch am Ufer hinterhergelaufen und hat Abschiedsbilder geknipst. „Ich bin wirklich traurig“, sagt er uns vor dem Abschied, „aber ich bin auch so unglaublich glücklich, dass ihr das machen könnt, was ihr liebt!“ Trotz aller Vorfreude auf die neuen Reviere und Erlebnisse wog der Abschied ziemlich schwer. In Jim haben wir einen wirklichen Freund gefunden.

Wir sind also seit einer Woche unterwegs und ziemlich schnell in unserer neuen Routine angekommen. Mit dem ersten Tageslicht geht es Anker auf, in der Dämmerung geht der Haken runter. Dazwischen wechseln wir uns ab beim Steuern, ein Omelette am Morgen, ein Cappucino am Nachmittag, nach dem Abendessen ein, zwei Folgen „Stromberg“, damit wir die deutsche Mentalität nicht vergessen. In den ersten Tagen mussten wir uns noch in mehrere Schichten einmummeln. Zwiebelprinzip. So dick waren wir nicht mal in Europa angezogen. Doch mit jeder Meile wird es wärmer. Zu unserem Glück herrschen in diesem Jahr auch noch Toptemperaturen im Dezember. Seit zwei Tagen wachen wir nicht mehr in einer vom Kondenswasser tropfnassen Kajüte auf und heute hatten wir sogar 25 Grad Celsius. Beim Tanken heute Mittag in South Carolina rutscht es mir auf der windstillen Pier raus: „Man, ist das heiß!“ Der Tankstellenwärter, der nicht weiß, dass ich mir heute morgen noch eine lange Unterhose untergezogen habe, weist mich zurecht: „Das ist nicht heiß. Das ist nice!“ Nach einer ganzen Woche unter Maschine (täglich 10 Stunden) haben wir heute übrigens alle Tanks gefüllt. 48 Dollar. Hach, ist das herrlich hier 🙂

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Und so schiebt sich „Maverick“ nun Meile um Meile durch den Intracoastal. Erst durch North, jetzt durch South Carolina. Die Landschaft um uns verändert sich. Mal sehen wir stundenlang nur Wald, dann wieder protzige Villen oder traumhafte Wassergrundstücke, die uns an unsere Schmiede in Oberndorf denken lassen. Über 80 Stunden haben wir mittlerweile seit dem Motoreinbau auf der Uhr. Wir lassen unzählige Städte links liegen, die wir beim nächsten Mal erkunden müssen. Der Süden ruft zu laut. Von unserem Ankerplatz in Südflorida trennen uns in diesem Moment noch fast tausend Kilometer. Voraussichtlich Montag werden wir in Charleston, SC einlaufen. Damit schließt sich ein kleiner Kreis: Johannes hat die Original-„Maverick“ am Ende seiner ersten Reise dort verkauft. Von dort wollen wir offshore nach Florida segeln um pünktlich zu Heiligabend unter Palmen zu sitzen. Nach fast fünf Monaten setzen wir dann wieder unsere Segel. Wir sind wieder unterwegs.

Cati