New Years Eve in Florida

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Liebe Leser,

wir wünschen euch allen von Herzen ein Frohes Neues Jahr! Und ganz viele Seemeilen in 2017! 🙂 Vielen Dank an alle, die auch nach Rückkehr der „Maverick too“ hier ab und zu mal vorbeischauen.

Wir sind seit Mitte Oktober mit „Maverick XL“ auf der westlichen Seite des Atlantiks unterwegs. Ende November war meine Familie für einen Probetörn durch die Exumas an Bord. Eine Probefahrt für die Chartertouren, die wir mit dem Boot anbieten wollen. Die Probefahrt war gleich ein voller Erfolg. Nach einigen Wochen Arbeit auf der Werft ist das Schiff wirklich hervorragend in Schuss, alles funktioniert gut und selbst zu siebt wurde es während der zehn Tage an Bord nicht zu eng. Später sollen aber maximal vier Gäste an Bord sein.

Viele Gäste benutzen aber auch viel Wasser. Und eines Tages wollte während der Probefahrt der Wassermacher nicht mehr anspringen. Kein Problem, denn es gibt ja immer mal eine Marina, in der man nachtanken könnte. Aber ein funktionierender Watermaker ist schon eine große Hilfe. Ein paar Emails mit dem Hersteller Schenker in Italien ergaben: Wahrscheinlich liefert die zehn Jahre alte Pumpe zu wenig Druck. Also brauchen wir eine neue. Neue Membranen standen ohnehin auf der Liste. Doch die auf die Bahamas zu bekommen ist schwierig. Also ab in die USA. „Sind ja nur 150 Meilen bis Fort Lauderdale.“ Unsere sechste Golfstromüberquerung in nur einem Jahr. Langsam wird das hier wirklich zu unserem Heimatrevier. Ich kenne die Bahamas jedenfalls schon deutlich besser als die Ostsee.

So finden wir uns etwas mehr als eine Woche vor Weihnachten fast genau an dem Ort wieder, an dem wir auch vor genau einem Jahr Weihnachten verbracht haben: Damals waren wir Anfang Dezember auf der Flucht vor dem Winter mit „Maverick too“ in North Carolina gestartet und pünktlich einen Tag vor Heiligabend in Palm Beach vor Anker gegangen. Ein paar Tage später war dann meine Schwester zu Besuch. Da unser Cruising-Permit für die USA ausgerechnet am 31. Dezember ablief, haben wir an dem Abend noch die USA verlassen und am nächsten Morgen die Bahamas erreicht.

Eigentlich wollten wir also nur kurz rüber in die USA, um die Ersatzteile aufzusammeln, einzubauen und dann wieder zurück auf die Bahamas zu segeln. Weihnachten und Neujahr sind nun natürlich nicht die idealsten Zeiten für dringlichen Postverkehr. Vor allem nicht aus Italien. Aber wir haben die Sachen für den Watermaker schon aus den Bahamas über den örtlichen Händler bestellen lassen und man hatte uns versichert: „Das dauert nicht länger als eine Woche.“

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Weihnachten haben wir an der Muring der Las Olas Marina verbracht. Dem Platz, an dem ich schon vor über zehn Jahren mit meiner kleinen 27-Fuß „Maverick“ gelegen habe. Der ersten „Maverick“. Ein witziges Bild, jetzt hier die „XL“ zu sehen. Am ersten Weihnachtsfeiertag hatten wir unsere Freunde Rose und Derrick zum Kaffee an Bord. Die beiden hatten wir auch schon fast ein Jahr nicht mehr gesehen, nachdem wir die ganze Ostküste der USA zusammen hinuntergefahren sind. Sie haben gerade eine seglerische Pause eingelegt um Geld zu verdienen, aber ließen es sich nicht nehmen einmal quer durch Florida zu fahren, um uns für ein paar Stunden zu treffen.

Fort Lauderdale ist die Metropole für alles, was mit Yachten zu tun hat. Trotzdem lässt das tolle Flair uns aber nicht unsere Aufgaben aus den Augen verlieren. Und eine der Größten ist der Watermaker. Als wir nach zwei Wochen noch keine Meldung über den Eingang der Teile haben, klingeln wir den Mann per Telefon an und glauben erst, wir hören nicht recht: „Wir sind im Urlaub. Versuchen Sie’s Anfang des Jahres nochmal.“ Dabei wollte der doch schon um Weihnachten herum unsere Teile haben und hatte versichert, dass einer Abfahrt vor Jahresende nichts im Wege stünde. Aber Schenker Italien hat glücklicherweise einen tollen Service. Dort hat man mich schon in den Wochen zuvor mit kompletten Bauzeichnungen und Elektroschaltplänen versorgt. Schnell haben wir die genauen Teilenummern heraus und die Sachen innerhalb von zwei Tagen aus den ganzen USA zusammenbestellt …

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Aber eins ist klar: An Silvester hauen wir diesmal nicht ab. Obwohl es letztes Jahr auch ein tollen Bild war, auf beiden Seiten des Golfstroms (Bahamas und USA) die Raketen knallen zu sehen. Diesmal aber bleiben wir und laden unsere lieben Freunde Matt und Jessica fürs Wochenende zu uns an Bord ein.

Die beiden sind mit ihrem Blog mjsailing.com in den letzten Jahren auch in Europa durch viele Medien gegangen, als „Das Paar, das alles verkaufte und segeln ging“ oder „Auf Weltreise mit Katze.“ Die beiden haben 2012 mit 30 Jahren tatsächlich alles an den Nagel gehängt. Job gekündigt, Haus verkauft und dann die Segel gesetzt. Erst eine Runde durch die Karibik, dann über den Nordatlantik zu den Azoren. Dort allerdings nahm der Plan Europa zu entdecken eine Wende, als Matt im Internet eine alte Aluyacht in Florida entdeckte. Alu wäre viel besser geeignet, als der zehn Meter lange Plastikeimer mit dem sie unterwegs waren. Also eine Wende und über die Kanaren und Karibik zurück nach Florida. Als wir 2014 über den Atlantik gesegelt sind, waren sie immer ein paarhundert Meilen vor uns unterwegs. Inzwischen ist das neue Schiff nach 18 Monaten im Boatyard fast komplett renoviert. Jessica postet über die Fortschritte regelmäßig kurze Videos in ihrem Youtube-Channel.

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In den USA haben wir uns dann im Sommer 2015 kennengelernt und die beiden auf der Rückreise aus dem Golf von Mexiko gleich eine ganze Woche in Indiantown besucht. Herrliche Zeiten, an die wir gern zurückdenken. Und an die wir auch gleich wieder anschließen, als wir die beiden in der Marina mit dem Dingi abholen. Es fühlt sich an, als hätten wir sie gestern erst gesehen.

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„Was futtert ihr Amis so an Silvester?“ frage ich Jessica. „Hmmm … Nichts besonderes. Es gibt jedenfalls keine richtige Tradition.“ Schade, dabei hatte ich gehofft, dies Jahr eine Mische aus alter Heimat und neuer Heimat (gefühlt, für mich) zusammenzustellen. Beim chatten hatte ich Tage zuvor das Wort „Raclette“ fallen gelassen. Das kennt man hier nicht. Doch klar, Jessica hat das Wort natürlich gleich gegoogelt. „Ja, das wollen wir unbedingt machen!“. Auweia. Eine Bringschuld. Obwohl der Kat wirklich umfangreich ausgerüstet ist – einen Raclettegrill habe ich hier noch nicht gefunden. Online gibts sowas. Aber wir haben nur 220 Volt an Bord, die amerikanischen Geräte 110 Volt. Also besuchen wir den örtlichen Aldi und können mit (echter deutscher) Bratwurst und Salaten gerade noch die Kurve bekommen.

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Einen Teil des Abends verbringen wir am wunderschönen Strand von Fort Lauderdale. Meiner Meinung nach noch hübscher als Miami Beach. Barfuss im Sand, über das alte und das neue Jahr schwelgen und schwärmen … Was könnte besser sein? Gegen Mitternacht knallen die Korken an Bord und unser neues Nebelhorn stimmt in das Gehupe ein. Das Feuerwerk bleibt leider spärlich. Aber eine Sache fehlt noch. Etwas, das sie noch nicht kennen: „Dinner for one“ auf dem Laptop. In Deutschland kann man sich am Silvesterabend ja kaum davor verstecken, aber laut Wikipedia ist die NDR-Produktion im Ausland kaum bekannt, in den USA sogar in den 80er Jahren zuletzt gesendet worden. So ist es ein großer Spaß mit unseren Freunden ein bisschen Heimatrituale auszutauschen.

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Seit wir 2014 Deutschland verlassen haben, sind echte Freunde rar geworden. Die deutschen Freunde sind weit weg und wir sind höchstens per Whatsap oder Facebook in Verbindung. Auch bei unserer Rückkehr zwischen August und Oktober blieb nicht viel Zeit. Ich habe die zehn Wochen größtenteils mit dem Lernen für meinen SSS (Segelschein) verbracht – und dann ging auch schon der Flieger. Als Cruiser lernt man unterwegs immer wieder andere Leute kennen, segelt einige Wochen zusammen, aber verliert sich irgendwann wieder aus den Augen. Kontakte vom Ankerplatz werden schnell virtuell. Ich glaube zuletzt haben wir in Camden, NC, richtige Wurzeln gehabt, als wir dort 3,5 Monate in der Marina eines kleinen Dorfes lagen und uns mit der Zeit richtig vertraut gefühlt haben. Und es ist echt witzig, wie zuhause wir uns nun mittlerweile hier in der Ecke zwischen Florida und den Bahamas fühlen. Wir haben gute Freunde, wir kennen uns aus, wissen wo was ist, haben unsere Lieblingsecken. Können sogar ohne Navi durch die Gegend fahren.

Deshalb fiel es mir vor zwei Tagen auch überraschend schwer, aus den USA weg zu segeln. Ich hätte nie gedacht, dass mir tagelang ein so schwerer Kloß im Hals hängen könnte. Und immer wieder habe ich mich gefragt, warum?

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Nun denke ich es könnte daran liegen, dass wir mit der Abfahrt in die Bahamas in ein ganz neues Leben starten. Das Segeln wird zum Beruf. Gut, das war es für mich als Segel-Journalist ohnehin schon. Aber nach zwei Jahren Segelei. plötzlich gibt es Zeitpläne, feste Routen, Gäste die eine lange Reise hinter sich haben und sich wohlfühlen sollen. Ein großer Erwartungsdruck. Wahrscheinlich mehr noch an uns selbst, als alles andere. Wir wollen alles richtig machen und den Gästen einen unvergesslichen Urlaub schenken. Alles, was in unserer Macht steht, haben wir getan. Das Schiff ist in Bestzustand, Wochenlang haben wir alle Punkte erfüllt um eine Sicherheitsabnahme durch das American Bureau of Shipping zu bestehen. Alle Ausrüstung ist gewartet, alles funktioniert. Aber schon auf der Probefahrt hat sich gezeigt, dass das nicht alles allein von uns abhängt.

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Auf der Fahrt hatten wir tagelang Wind zwischen 25 und 30 Knoten. Unzuverlässige Wettermeldungen. Gerade jetzt im Januar unbeständiges Wetter und viel Wind. Andere Yachten, die mit wenig Kette viel zu nah an einem ankern und dem Skipper schlaflose Nächte bereiten. Eigentlich alles wie immer, nur jetzt mit mehr Verantwortung als nur für uns zwei. Definitiv ein neues Abenteuer. Vielleicht auch deshalb der Kloß im Hals. Aber die Erfahrung wird Ruhe und Selbstbewusstsein bringen. So wie es in allen Dingen ist.

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Wie zum Beispiel bei dem ständig nötigen Übel einer Golfstromüberquerung. Der Strom hat es wirklich in sich, strömt mit 3,5 und mehr Knoten von Süden nach Norden. Ruckzuck können sich irre, kurze Wellen aufbauen, wenn Wind gegen Strom stehen. Bei meiner allerersten Überquerung 2006 hat sich die kleine „Maverick“ damals förmlich zerlegt. So derbe verwunden, dass sich die Sitzbänke verformt haben und das Hauptschott in der Mitte durchgebrochen ist. Deshalb liegen die meisten Snowbirds, die die Ostküste hinterkommen um auf die Bahamas zu segeln, wochenlang in Miami auf der Lauer, um dann das perfekte Fenster zu nutzen.

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Für uns war die erste Golfstromüberquerung in diesem Jahr Routine. Einfach, weil wir es nun schon so oft gemacht haben. Wir haben das Wetter beobachtet, vollgetankt und sind rübergefahren. Eigentlich sind es ja nur 50 Meilen. Die gehen vorbei. Dauern höchstens, wenn trotz zwei Maschinen in Marschfahrt teilweise nur 2 Knoten über Grund möglich sind … Aber irgendwann ist man drüben. Und ich denke auch das neue Leben wird irgendwann vertraut werden. Bisher ging es aber immer nur darum, Checklisten zu erfüllen, Dinge vorzubereiten. In Deutschland büffeln, büffeln, büffeln. Und plötzlich ist der Wandel nun da. Und uns ist ein bisschen bange wie es werden wird. Die Probefahrt war gut. Aber auch extrem anstrengend. Cati hatte 24-7 zu tun, um die sieben Leute zu versorgen und ich hatte mit Schiffsführung, Wartung und Entertaining zu tun (Inselausflüge, Schnorcheltouren, …) auch genug zu tun. Es ist ein tolles Leben im schönsten Revier der Welt. Aber wir sind gespannt, ob sich unser Leben in Zukunft auch noch so frei anfühlen wird, wie früher einmal: Zwei Leute, zwei Segel, ein Ozean. Wir werden sehen.

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Vielleicht ist es auch die Tatsache die uns ein wenig zu schaffen macht, dass die „Twens“ für uns beide mittlerweile im Kielwasser liegen. Wir werden alt. Jaa, da wird nun manch einer denken „nu‘ stell dich doch mal nicht so an!“ 😉 Aber es ist nun gerade der Zeitpunkt erreicht, von dem wir früher immer gesagt haben, „mit 30 werden wir vernünftig“. Aber nun zeichnet sich immer mehr ab, dass das Unvernünftige zu unserem Lebensalltag wird. Werden wir überhaupt noch irgendwann vernünftig werden?

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Aber trotz des großen Respekts, den wir jetzt gerade vor unserer eigenen Courage haben, freuen wir uns riesig auf alle die Gäste und die tollen Touren. Die erste Proberunde war ja bereits ein toller Erfolg und wir haben nach zehn Tagen am Flughafen in fünf braungebrannte, strahlende Gesichter geschaut. Und das war ein tolles Gefühl. Menschen mit an die Orte zu nehmen, an die sie ansonsten niemals kommen würden. Ihnen unsere schönsten Inseln zeigen, an denen wir uns so wohl gefühlt haben. Das ist ein Privileg. Und das macht Mut für das, was vor uns liegt.

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Gestern Nacht auf der Bahamasbank hatte ich wieder diese Gedanken im Kopf. Ich hatte Nachtwache, saß auf dem Vorschiff, sah die beiden Büge  (ist das der richtige Plural? Wir sind noch neu mit Kats 😉 ) durch die Wellen pflügen, das Vorsegel beleuchtet von den Positionslampen. 7,5 Knoten Fahrt. Wahnsinn. Darüber der gewaltige Sternenhimmel ohne Lightsmog. Die Milchstraße. Unfassbar. Würde ich das gegen ein vernünftiges Leben tauschen wollen? Beständigkeit, Zukunft, Karriere. Und Schnee schippen? Ich glaube nicht. Noch nicht.

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Wir werden den Blog am Leben halten und ab und zu davon berichten. Und natürlich freuen wir uns über jeden, der zu Besuch kommt. 🙂

Johannes