Einhand nach Schottland

Liebe Leser,
nach einigen wunderbaren Wochen in den Azoren wurde es wieder einmal Zeit, die Segel zu setzen. Cati flog von Ponta Delgada zurück nach Deutschland, denn im 7. Monat schwanger war es uns ganz klar zu heikel sie mit auf See zu nehmen. Für die nächste Etappe nach Schottland hatte ich eigentlich zwei alte Freunde eingeplant, die damals allerdings beide noch ihren Urlaub klären mussten. Bei einem wird es schon klappen, dachte ich mir. Doch beide kamen nicht aus ihrem Job heraus und so kam es, dass ich nun um einen Mitsegler verlegen in Ponta Delgada saß.

Wen sollte ich mitnehmen? Auf einer derart langen Strecke von gut 1650 Seemeilen wäre es mir schon ganz lieb den Mitsegler zumindest ein wenig zu kennen. Auf Horta hatte ich zwar noch einen Studenten getroffen, der sich anbot. Doch dann flog er nochmal nach Deutschland und alles verzögerte sich. Und mir lief das gute Wetter davon. Und so wurde eine alte Idee wieder wach: Warum nicht mal wieder einhand segeln? Das wollte ich schon lange mal, es ergab sich nur nie die Chance.
Zugegeben, so ein 13 Meter langer und 7 Meter breiter Kat eignet sich dafür nur bedingt. Anders als die modernen Kats, bei denen alle Schoten und Leinen zum Steuermann gelegt sind, ist unser Boot eher für Crews ausgelegt. So ist es beispielsweise eine elendige Rennerei, die Genua zu reffen, wenn sie an Backbord steht. Stück fieren, rüberrennen, Stück einkurbeln, zurückrennen, Stück fieren, wieder nach Steuerbord, Stück einholen, …

Zudem hatte ich schon ein bisschen zu lange gewartet und es hatte sich ein dickes Tiefdruckgebiet gebildet, das ziemlich stationär zwischen den Azoren und England stand. Aber eigentlich ist doch ein Tief gar nicht schlecht, denn auf der Ostseite hat es Südwinde. Ich müsste nur einen kleinen Bogen Richtung Spanien machen. Noch mehr Meilen, aber gutes Wetter.
Nach dem Durchzug eines weiteren Tiefs auf den Azoren (bei dem im Hafen von Ponta Delgada ein Wellengang herrschte, dass ich dachte die Schiffe befänden sich auf See …) dann der Absprung. Das Ablegen bei Seitenwind war dabei eigentlich meine größte Sorge. Ich hatte mich wegen der drehenden Winde im Hafen in den vergangenen Tagen mit acht Festmacherleinen wie in einem Spinnennetz in alle Richtungen festgenäht. Aber glücklicherweise kam dann zufällig mein alter Freund Volker im Hafen vorbei, um nachzuschauen, ob ich immer noch da bin. Ein paar andere Stegnachbarn halfen zusätzlich und ehe ich mich versah, war ich unterwegs.

Den ersten Tag fuhr ich an der Südküste der Insel Sao Miguel entlang nach Osten und steuerte von dort genau auf La Coruna zu. Der Nordwind auf der Westseite des Tiefs schob mich hervorragend nach Nordosten. Ich konnte sogar direkt in den Kern des Tiefs segeln, dort in der Flaute für eine Nacht den Motor anwerfen und bin nun auf der Ostseite des Tiefs und werde nach Norden geschoben. Zwar sehr langsam, da es sehr flau ist, aber stetig. 820 Seemeilen liegen schon im Kielwasser und ich bin gerade mitten vor der Biskaya.

Montag werde ich die Einflugschneise für den Ärmelkanal queren und Kurs auf die Irische See nehmen. Dann wird bestimmt auch wieder etwas mehr Verkehr herrschen, denn in der vergangenen Woche auf See habe ich bisher nur fünf Schiffe gesehen. Eins davon war witzigerweise eine Yacht aus meiner Heimatstadt Wolfsburg! Den Blog der „Gepetho“ habe ich schon seit Jahren verfolgt, aber die Familie jetzt erst auf den Azoren kennengelernt. Sie hielten allerdings auf La Coruna zu, während ich Kurs nach Norden nahm.

Wie es sich anfühlt, nach so vielen Jahren mal wieder einhand zu segeln? Erstmal komisch. Auf den Azoren hatten wir ja full house. Nun segele ich mit vier leeren Kabinen durch die Gegend und schlafe im Salon. So wie damals hatte ich zuerst auch immer das Gefühl, es wäre noch jemand an Bord, nur auf Freiwache. Immer wieder wenn ich tolle Erlebnisse an Deck hatte, dachte ich sofort „das muss ich nachher Cati erzählen, wenn sie wach wird“. Doch dann erinnerte ich mich immer wieder: Es ist keiner hier. Ein bisschen Sorgen habe ich mir auch gemacht, ob ich meinen 25-Minuten-Schlafrythmus noch hinbekommen würde. Ich bin ja keine 20 mehr … 😉 Aber das klappt erstaunlich gut. Alle 25 Minuten klingelt der Wecker, ich schaue draußen nach dem Rechten und penne sofort wieder ein. Aber mal sehen, ob das auch noch zu gut klappt, wenn ich vor dem Ärmelkanal den Takt auf 15 Minuten herunterschraube. Aber bislang bin ich guter Dinge.

Viele Grüße vom Atlantik! Noch 350 Meilen bis Irland.
Johannes